(M)ein Leben mit Demenz
Vortrag der Schriftstellerin Helga Rohra („Aus dem Schatten treten“) am 9. April 2018 - Regionales Netzwerk „DemenzLA“ präsentiert die Demenz-Aktivistin
Im nahezu vollbesetzten Saal der Lebenshilfe war es am Montagnachmittag eineinhalb Stunden lang mucksmäuschenstill. Grund war der fesselnde Vortrag der bekanntesten an Demenz erkrankten Aktivistin und Autorin Helga Rohra. Wenn sie es nicht selber immer wieder betont hätte, dann wäre dem unerfahrenen Laien überhaupt nicht aufgefallen, dass bei der charismatischen und lebensfreudigen Frau bereits schon vor 10 Jahren Demenz diagnostiziert wurde. Nur einmal während des gesamten Vortrags sagt sie mit einem Lächeln: „Jetzt habe ich vergessen, was ich eigentlich sagen wollte.“ Aber Helga Rohra bewies auch in dieser Situation, dass sie die Krankheit angenommen hat und sich nicht einfach nur ihrem Schicksal ergibt, sondern gelernt hat, damit umzugehen. Sie beschrieb in ihrem Vortrag ihren Weg von den ersten Symptomen, der Diagnose und dem ersten Kontakt zu einer Selbsthilfegruppe der Alzheimer Gesellschaft in München. Sie ist sehr gut organisiert und fokussiert und strahlt eine Zuversicht aus, die auch bei den anderen Betroffenen im Publikum ansteckend wirkt und Hoffnung verbreitet. Auch den vielen Ehrenamtlichen und in Selbsthilfegruppen organisierten Menschen, die an diesem Nachmittag an ihren Lippen hingen, gibt Helga Rohra immer wieder Tipps und Hilfestellungen mit auf den Weg: „Wenn ein an einer kognitiven Störung Erkrankter Ihnen sagt, er könne nur vorsichtig laufen, denn vor ihm auf dem Boden sind Wellen, dann sagen Sie ihm nicht, dass da keine sind. Denn für diesen Menschen ist es nicht nachvollziehbar, dass Sie die Wellen nicht sehen. Sagen Sie ihm dafür lieber, dass Sie gemeinsam mit ihm vorsichtig über die Wellen gehen.“ Helgo Rohra will eine Bewusstseinsänderung zum Thema Demenz erreichen. Gemeinsam mit der Alzheimer Gesellschaft gründete sie 2012 die „European Working Group of People with Dementia“, eine selbstorganisierte Interessenvertretung, die sich zwei- bis dreimal im Jahr in Brüssel oder Luxemburg trifft und Empfehlungen für Alzheimer Europe erarbeitet. Weltweit, so die Schätzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind rund 50 Millionen Menschen an Demenz erkrankt. Aber das ist nur die Zahl der diagnostizierten Fälle, denn die Dunkelziffer ist weitaus größer. In Deutschland sind es rund 1,6 Millionen Menschen mit der Diagnose Demenz. Dabei ist Demenz nicht gleich Demenz, gibt Helga Rohra zu verstehen, denn es gibt 140 bekannte Arten von Demenz, wovon die am meisten vorkommende Alzheimer ist. Entgegen der weitverbreiteten Meinung, dass Demenz eine Alters-Krankheit ist, kann die Erkrankung in jedem Alter ausbrechen. „Der jüngste bekannte Patient ist 3 Jahre alt“, so Helga Rohra. Offen und ehrlich beschreibt die Autorin, wie und welche ersten Symptome der Erkrankung bei ihr auftauchten und wie wenig hilfreich ihre ärztlichen Konsultationen verliefen. „Sie haben Burnout. Gehen Sie einfach mal drei bis vier Monate nur spazieren und entspannen Sie“, zitiert sie ihren damals behandelnden Arzt. Doch als zu den schon aufgetauchten Gedächtnisausfällen, noch Wortfindungsstörungen und zunehmenden Orientierungsschwierigkeiten auch noch optische Halluzinationen dazu kamen, war es für die ehemalige Simultandolmetscherin, die einmal 9 Sprachen beherrschte, Zeit für eine tiefergehende Diagnose. Diese bekam sie dann später in der Universitätsklinik, wenn auch nur nach intensivem Beharren. „Nachdem ich ein Jahr lang geweint habe, habe ich mich meiner Kraftquellen und Stärken wieder besonnen. Und heute halte ich genau zum 999 Mal einen Vortrag und habe ein Buch geschrieben“, so Helga Rohra mit erkennbarem Stolz und große Zuversicht vermittelnd. Zusammen mit der Alzheimer Gesellschaft Landshut, der Arbeiterwohlfahrt Kreisverband Landshut, dem Diakonischen Werk Landshut, dem Bayerischen Roten Kreuz KV Landshut und dem Landshuter Netzwerk ist das Christliche Bildungswerk, Landshut (CBW) Netzwerkpartner im Netzwerk Demenz Landshut. Betroffene und ihre Angehörigen finden im Netzwerk „DemenzLA“ Veranstaltungen, Beratung, Informationen und ein Info-Telefon. Weitere Informationen zum Thema und zum Angebot gibt es auch unter www.?demenz-landshut.?de. Die Veranstaltungsreihe wird fortgesetzt mit dem „Tanz in den Mai für Menschen mit und ohne Demenz“ am 28. April im Mehrgenerationenhaus, Ludmillastr. 15a, Landshut. Am 8. Juni folgt dann mit „Ein unbeschwerter Tag zusammen“ ein von der Alzheimer Gesellschaft im Netzwerk Demenz organisierter ganztägiger Ausflug zum Bauernhaus Freilichtmuseum Massing. Ein Theaterstück mit dem Titel „Bildreise Demenz“ gibt es dann am 21.9. im Salzstadel Landshut. Am 11. September startet die Vortragsreihe „Basiswissen Demenz“ im Landshuter Netzwerk, die am 18.9., 2.10. und 9.10. mit Fachvorträgen fortgesetzt wird. Nähere Informationen dazu gibt es im Landshuter Netzwerk, Tel. 0871-96367-141.
…